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Brief für GmbH-GF/-Gesellschafter des Monats Juni 2012


Sehr geehrte Damen und Herren,

der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:

Inhalt

1.

Keine verdeckte Gewinnausschüttung bei Weiterleitung erstatteter Arbeitgeber-Beiträge

2.

Elektronische Abgabe von Steuererklärungen

3.

Umsatzsteuerheft neu aufgelegt

4.

Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben

5.

Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

6.

Abberufener Abwickler einer AG kann besondere Hinweispflichten haben

7.

Außerordentliche Kündigung bei "Stalking"?

8.

Eigenkapitalersatzrecht bei Darlehensvergabe

9.

Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung

10.

Neues zu "Whistleblowing"

11.

Kündigung bei Verweigerung von Zusammenarbeit

12.

Muss Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unaufgefordert übersetzen?

13.

Zur Ablehnung sprechbehinderter Bewerber

14.

Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung



1. Keine verdeckte Gewinnausschüttung bei Weiterleitung erstatteter Arbeitgeber-Beiträge

Kernfrage
Die Prüfung der Fremdüblichkeit von Leistungsbeziehungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern stellt einen Schwerpunkt in vielen Betriebsprüfungen dar. Wendet nämlich eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person (Ehegatte, Kinder, etc.) einen Vermögensvorteil zu, den sie einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte, liegt hierin regelmäßig eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Prüfungsmaßstab ist dabei stets der ordentlich und gewissenhaft handelnde Geschäftsführer. Seit Jahren umstritten ist dabei die Frage, ob die Weiterleitung von erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung an den Gesellschafter eine vGA darstellt.

Sachverhalt
Der klagende Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH beschäftigte seine Ehefrau als kaufmännische Angestellte. Im Rahmen einer Überprüfung seitens des Sozialversicherungsträgers wurde festgestellt, dass die Ehefrau nicht sozialversicherungspflichtig war. Der Sozialversicherungsträger erstattete deshalb im Streitjahr 2006 die bislang entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung, wobei der Arbeitgeberanteil der GmbH ausbezahlt wurde. Letztere leitete den Betrag vollständig an die Ehefrau weiter. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Weiterleitung der Beiträge nicht fremdüblich sei und behandelte die Aufwendungen als vGA. Das Einkommen der GmbH erhöhte sich entsprechend. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Münster nunmehr vollständig statt.

Entscheidung
Die Weiterleitung von an die Kapitalgesellschaft erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen an eine Arbeitnehmerin, die zugleich Ehefrau des Alleingesellschafters ist, stellt nach Auffassung des FG Münster keine vGA an den Gesellschafter dar. Es fehle zum einen an einem Vermögensvorteil bei der Ehefrau, da sie aufgrund der Erstattung nämlich auch Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung verloren habe. Zum anderen habe auch die GmbH keine Vermögenseinbuße erlitten, da sie lediglich erstattete Beiträge weitergeleitet habe. Die Weiterleitung sei auch nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, sondern vielmehr fremdüblich.

Konsequenz
Das FG hat die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen, da die Rechtsfrage bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und zudem auch konträre Entscheidungen seitens der Finanzgerichte bestehen.

2. Elektronische Abgabe von Steuererklärungen

Kernaussage
Ab dem Veranlagungszeitraum 2011 müssen die wichtigsten Steuererklärungen, z. B. Einkommen-, Umsatzsteuer etc. elektronisch abgeben werden. Bisher gilt dies bereits für Lohn- und Umsatzsteuervoranmeldungen. Ausnahmen, d. h. eine Abgabe unverändert in Papierform, sind nur in Härtefällen möglich. Diese sind gegeben, wenn die Steuerpflichtigen nicht über die notwendige technische Ausstattung verfügen und diese nur mit erheblichem finanziellen Aufwand zu beschaffen wäre oder wenn der Steuerpflichtige nicht die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hierzu mit sich bringt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun Stellung bezogen, wann ein Härtefall vorliegt.

Sachverhalt
Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die Grundstücke an verbundene Unternehmen vermietete. Einziger Kommanditist war eine natürliche Person. Die Komplementär-GmbH hingegen hatte neben eben dieser natürlichen Person noch 3 weitere Geschäftsführer. Der Kommanditist stellte für die Klägerin den Antrag, die Umsatzsteuervoranmeldungen weiter in Papierform einreichen zu dürfen, da er sich technisch und persönlich nicht zur elektronischen Übertragung in der Lage sah. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Unter anderem verwies es darauf, dass die Klägerin auch die EDV der verbundenen Unternehmen nutzen könne.

Entscheidung
Der BFH stellt zunächst klar, dass die Regelung zur elektronischen Abgabe von Steuererklärungen verfassungsgemäß ist. Hierauf aufbauend sieht er im vorliegenden Fall keinen Grund für die Anwendung der Härtefallregelung. So ist es der Klägerin angesichts der erzielten Gewinne zuzumuten, die notwendigen technischen Voraussetzungen zu schaffen. Auch wenn dem Kommanditisten persönlich die nötige Medienkompetenz fehle, so reiche es aus, wenn die übrigen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH hierüber verfügen.

Konsequenz
Hohes Alter und fehlende Medienkompetenz können den Anspruch auf Abgabe der Steuererklärungen in Papierform begründen. Dieses Kriterium müssen jedoch sämtliche Inhaber bzw. Geschäftsführer des Unternehmens erfüllen. Die fehlende technische Ausstattung allein begründet hingegen nicht diesen Anspruch, sondern nur wenn die wirtschaftlichen Mittel zu den erforderlichen Anschaffungen fehlen. Die unveränderte Abgabe von Steuererklärungen in Papierform dürfte daher nur noch in seltenen Fällen möglich sein. Allerdings verweist der BFH darauf, dass die Finanzämter gefordert sind, die Anträge gründlich zu prüfen und eine Ablehnung ordentlich zu begründen. Pauschale Behauptungen sind nicht zulässig, ebenso nicht der Verweis auf die technische Ausstattung verbundener Unternehmen.

3. Umsatzsteuerheft neu aufgelegt

Einführung
Reisegewerbetreibende, also z. B. Schausteller, Straßenhändler etc., müssen für umsatzsteuerliche Zwecke ein so genanntes Umsatzsteuerheft führen. Ein solches Umsatzsteuerheft sieht bestimmte Grundaufzeichnungen zur Umsatzsteuer vor und ist grundsätzlich von allen Unternehmern zu führen, die ein Reisegewerbe (ambulantes Gewerbe) betreiben. Ein Reisegewerbe führen Gewerbetreibende, wenn sie Waren oder Dienstleistungen auf Märkten, auf öffentlichen Straßen oder von Haus zu Haus verkaufen oder anbieten.

Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein neues Muster des Umsatzsteuerheftes veröffentlicht. Es wurde an die aktuellen Gesetzesänderungen angepasst.

Konsequenz
Die Umsatzsteuerhefte sind ab sofort gemäß dem neuen Muster zu erstellen. Da die Umsatzsteuerhefte durch das zuständige Finanzamt ausgestellt werden, bietet es sich an, sich insoweit mit dem jeweiligen Finanzamt abzustimmen.

4. Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben

Kernaussage
Kündigt ein Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag, weil sein Aufgabenbereich eingeschränkt wurde, entfallen die Vergütungsansprüche. Ein Schadensersatzanspruch gegen die GmbH wegen Auflösungsverschuldens scheidet jedenfalls dann aus, wenn keine Verletzung des Anstellungsvertrages oder der Satzung durch die Kompetenzbeschneidung festzustellen ist.

Sachverhalt
Der Kläger und seiner Ehefrau waren alleinige Gesellschafter der beklagten GmbH und zugleich deren jeweils alleinvertretungsberechtigte und zur Vornahme so genannter Insichgeschäfte berechtigte Geschäftsführer. Nachdem sie sämtliche Anteile an der GmbH an eine GmbH & Co. KG veräußerten, schlossen sie mit der GmbH einen Geschäftsführeranstellungsvertrag ab. In der Folgezeit kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin, weil diese diverse Abteilungen der beklagten GmbH auf andere Konzernunternehmen verlagert hatte. Daraufhin bestellte die Gesellschafterin einen weiteren Geschäftsführer, widerrief die dem Kläger und seiner Ehefrau erteilte Alleinvertretungsberechtigung sowie die Erlaubnis zur Vornahme von Insichgeschäften und erließ eine Geschäftsordnung. Hiernach waren der Kläger und seine Ehefrau fortan berichtspflichtig und weisungsgebunden gegenüber dem weiteren Geschäftsführer. In der Folge erklärte der Kläger die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages. Mit der Klage machte der Kläger seine vertraglichen Vergütungsansprüche geltend und verlor.

Entscheidung
Veranlasst ein Vertragspartner einen Dienstverpflichteten durch schuldhafte Vertragsverletzung zur außerordentlichen Kündigung, so kann der Kündigende Schadensersatz verlangen. Für den Fall einer Abberufung des Geschäftsführers hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits entschieden, dass die Gesellschaft nur ihr gesetzliches Recht der jederzeitigen Abberufung wahrnimmt, so dass eine Vertragsverletzung nicht vorliegen kann. Die streitige Frage, ob diese Rechtsprechung auch im Fall der Einschränkung des Kompetenzbereichs des Geschäftsführers Anwendung findet, musste vorliegend nicht entschieden werden, da weder dem Anstellungsvertrag des Klägers noch der Satzung der beklagten GmbH zu entnehmen war, dass eine Kompetenzbeschränkung unzulässig ist.

Konsequenz
Die Frage, ob Vereinbarungen im Anstellungsvertrag, die körperschaftsrechtlichen Regelungen widersprechen, schuldrechtlich wirksam bleiben und ein Recht zur fristlosen Kündigung mit Schadensersatzansprüchen begründen, bleibt weiterhin offen.

5. Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

Kernaussage
Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommene GmbH-Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und daher dem Gläubiger keine Darlegung von Einzelheiten möglich ist.

Sachverhalt
Die Klägerin schloss mit der GmbH (Schuldnerin) im Mai 2005 einen Frachtvertrag ab. Aus diesem Vertrag stand der Klägerin ein 8 Tage später fällig werdender Vergütungsanspruch in Höhe von 36.500 EUR zu. Ein Mitte Juni 2005 gestellter Insolvenzantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Die Klägerin nimmt den Geschäftsführer wegen verspäteter Insolvenzantragstellung und Eingehungsbetrug auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Landgericht der Klage antragsgemäß entsprochen hatte, wies das Oberlandesgericht die Klage in der Berufung ab. Schließlich obsiegte die Klägerin vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung
Der Klägerin steht ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer zu. Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin im Mai 2005 aufgrund von Zahlungseinstellung zahlungsunfähig und damit insolvenzreif. Der daraus folgenden Insolvenzantragsstellungspflicht wurde nicht nachgekommen, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bei Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich sofort zu stellen. Die oft zitierte 3-Wochen-Frist bezieht sich auf die Bemühungen des Geschäftsführers, die Krise zu überwinden, bzw. die Insolvenzantragsgründe zu beseitigen, was hier ausschied. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Zahlungseinstellung hätte grundsätzlich die Klägerin diese darlegen und beweisen müssen. Weil jedoch keine Unterlagen bei der Schuldnerin aufgefunden bzw. vorgelegt wurden, bedurfte es dessen nicht. Nach der Rechtsprechung gelten die Voraussetzungen der Insolvenzreife nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.

Konsequenz
Das Urteil hilft der beweisbelasteten Klägerin bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen den GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz. Es wird deutlich, dass sich der Geschäftsführer auch nicht durch Vernichtung von Unterlagen dieser Haftung entziehen kann.

6. Abberufener Abwickler einer AG kann besondere Hinweispflichten haben

Kernaussage

Der abberufene Abwickler einer Aktiengesellschaft (AG) kann verpflichtet sein, einen Nachfolger auf dringend zu erledigende oder für die Gesellschaft besonders wichtige Angelegenheiten ausdrücklich hinzuweisen.

Sachverhalt
Der Beklagte war Liquidator einer AG. Am 4.11.2002 schloss er mit dem früheren Mehrheitsaktionär und Vorstand der AG eine Vereinbarung, wonach dieser für 1.910.000 EUR Grundstücke von der AG erwarb. Ein Teilbetrag von 600.000 EUR sollte dabei im Wege der Verrechnung mit eigenen Pensionsansprüchen erfüllt werden. Daneben verpflichtete sich der Erwerber u. a., Verbindlichkeiten der AG aus der Unterstützungskasse gegenüber einigen Pensionären zu übernehmen, was jedoch nicht geschah. Nachdem der Beklagte in der Hauptversammlung am 30.6.2006 als Liquidator abberufen worden war, stellte schließlich der neue Liquidator am 10.11.2006 Insolvenzantrag. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG und begehrt vom Beklagen Ersatz des Schadens, der der Insolvenzmasse dadurch entstanden ist, dass der Beklagte ihm die Vereinbarung mit dem Mehrheitsaktionär vorenthalten hat.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass der Beklagte pflichtwidrig gehandelt hat und verwies den Rechtsstreit an die Unterinstanz zurück. Die Pflichtwidrigkeit besteht in dem unterlassenen Hinweis des Beklagten an seinen Nachfolger als Abwickler auf die Vereinbarung vom 4.11.2002. Ein Abwickler kann sich zwar bei der Übergabe der Geschäfte an einen Nachfolger grundsätzlich auf die Übergabe der Unterlagen beschränken. Die nachwirkende Treuepflicht gebietet es jedoch, dass er auf dringend zu erledigende oder für die Gesellschaft besonders wichtige Angelegenheiten ausdrücklich hinweist, wenn nicht erwartet werden kann, dass der Nachfolger in der zur Verfügung stehenden Zeit dazu in den Unterlagen der Gesellschaft ausreichende Informationen auffindet. Die Durchsetzung der Verpflichtung zur Übernahme der Pensionsverpflichtungen war für die AG eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung. Durch den unterlassenen Hinweis an den Nachfolgeliquidator sind alle Schäden zu ersetzen, die in der Folge des Insolvenzantrags entstanden sind, wenn durch die Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung die Zahlungsunfähigkeit hätte vermieden werden können.

Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht, dass nicht nur in einem lebenden Geschäftsbetrieb Haftungsgefahren für den Geschäftsführer bestehen. Auch dem Liquidator werden umfangreiche Pflichten auferlegt, deren Nichterfüllung zu einem erheblichen Schadensersatzanspruch führen kann.

7. Außerordentliche Kündigung bei "Stalking"?

Kernfrage
Stalking am Arbeitsplatz fällt in den Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), das insbesondere vor Belästigungen schützt. Zwar besteht zunächst kein unmittelbarer Anspruch des belästigten Arbeitnehmers darauf, dass dem Stalker gekündigt wird, eine Kündigung steht aber im Ermessen des Arbeitgebers. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fristlose Kündigung aufgrund (wiederholten) Stalkings möglich und zulässig ist.

Sachverhalt
Der Kläger war nach einer ersten Beschwerde durch den Arbeitgeber nach einem internen Verfahren darauf hingewiesen worden, dass er private Kontakte zu einer Kollegin zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen auf jeden Fall zu unterlassen habe. 2 Jahre später beschwerte sich eine andere Kollegin, eine Leiharbeitnehmerin, über den Kläger, der ihr in 4 Monaten 120 private Emails geschickt hatte, sich in ihr Privatleben einmischte und drohte, er könne dafür sorgen, dass sie nicht in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen werde. Nach einem Anhörungsverfahren kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Gegen die Kündigung ging dieser mit Kündigungsschutzklage vor.

Entscheidung
Nachdem das Landesarbeitsgericht dem Kläger Recht gegeben hatte, hob das BAG diese Entscheidung wieder auf und verwies sie zur erneuten Verhandlung zurück. Dabei ließen die Richter keinen Zweifel daran, dass solch massives Stalking eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Alleine fraglich war, ob eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Hier sieht das BAG weiteren Klärungsbedarf, denn eine ausdrückliche Abmahnung lag nicht vor. Es stellte dem Landesarbeitsgericht aber die Aufgabe, zu hinterfragen, ob das dem Kläger schriftlich mitgeteilte Ergebnis des internen Verfahrens 2 Jahre zuvor als eine Abmahnung gewertet werden könne.

Konsequenz
Auch wenn es nicht zu einer endgültigen Entscheidung gekommen ist, wird man das BAG so verstehen können, dass in Stalkingfällen jedenfalls nach einschlägiger vorheriger Abmahnung eine fristlose Kündigung zulässig ist.

8. Eigenkapitalersatzrecht bei Darlehensvergabe

Kernaussage
Ist eine Kapitalgesellschaft in der Krise und benötigt zusätzliches Kapital, können die Gesellschafter dieses entweder als zusätzliches Eigenkapital einbringen oder der Gesellschaft Fremdkapital in Form eines Gesellschafterdarlehens zur Verfügung stellen. Nach den von der Rechtsprechung zum alten GmbH-Recht entwickelten Regeln durften Gesellschafterdarlehen, die zu einem Zeitpunkt gewährt wurden, in denen ein ordentlicher Kaufmann der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätte, in der Krise der Gesellschaft nicht zurückgezahlt werden. In der alten Gesetzesfassung wurde ein Gesellschafterdarlehen in ein Eigenkapitalersetzendes Darlehen umqualifiziert, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen in einem Zeitpunkt gewährt hatte, in dem ordentliche Kaufleute der Gesellschaft Eigenkapital zur Verfügung gestellt hätten. Tilgte die GmbH das Darlehen innerhalb eines Jahres vor der Insolvenz, traf den Gesellschafter eine Rückzahlungspflicht an die GmbH. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun, dass die alten Eigenkapitalersatzvorschriften auch bei Darlehen zwischen Schwestergesellschaften Anwendung finden können. Sollte der Gesellschafter zu "nur" 50 % an der Darlehensgeberin (GmbH) beteiligt sein, ist erforderlich, dass er daneben alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.

Sachverhalt
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH, die bis Dezember 2004 einen Alleingesellschafter hatte. Im November 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Beklagte ist eine Schwestergesellschaft, an der Alleingesellschafter der GmbH ebenfalls mit einem Geschäftsanteil von 50 % beteiligt war und deren alleiniger und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er war. Die Beklagte hatte gegen die insolvente GmbH zum 31.12.2003 einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von rund 510.000 EUR, der schließlich mit einer abgetretenen Drittforderung gegen die Beklagte von der GmbH aufgerechnet wurde. Die Klägerin sieht in der Aufrechnung eine verbotene Rückführung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens und verlangt die Rückzahlung in Höhe der Unterbilanz. Die Klage war zunächst erfolglos.

Entscheidung
Der BGH gab ihr statt. Das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln findet auf den Altfall noch Anwendung. Die Eigenkapitalersatzregeln sind zum Schutz vor Umgehungen auch auf Finanzierungshilfen Dritter anwendbar, wenn dieser bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Ist ein Gesellschafter hiernach an der darlehensnehmenden und der darlehensgebenden Gesellschaft maßgeblich beteiligt, wird eine derartige Verbindung statuiert. Für die Maßgeblichkeit genügt eine Beteiligung an der darlehensgewährenden GmbH von mehr als 50 %. Eine maßgebliche Beteiligung ist auch bei einem Anteil von "nur" 50 % gegeben, wenn der Gesellschafter zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.

Konsequenz
Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln abgeschafft und in modifizierter Form in das Insolvenzrecht überführt. Auch insolvenzrechtlich können Forderungen Dritter den Gesellschafterforderungen gleichgestellt werden, so dass die Grundsätze des Urteils auch nach neuem Recht Bedeutung erlangen können.

9. Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung

Rechtslage
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sind Arbeitnehmer bei arbeitsunfähiger Erkrankung verpflichtet, spätestens am dritten Tag der Erkrankung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Es ist zulässig, diese Regelung mit einer eindeutigen Regelung im Arbeitsvertrag auch zu Lasten des Arbeitnehmers zu verschärfen und die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor dem dritten Krankheitstag zu verlangen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte jetzt über den Inhalt einer solchen Klausel und die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bei Verstoß zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Arbeitsvertrag des Klägers sah vor, dass er ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beizubringen habe. Nachdem er bei Verlassen der Arbeitsstelle angekündigt hatte, am Folgetag wegen Rückenschmerzen einen Arzt aufsuchen zu wollen und deshalb auch nicht zur Arbeit erschien, ohne eine Bescheinigung einzureichen, erteilte ihm der Arbeitgeber am Tag darauf eine Abmahnung. Auch an den Folgetagen legte der Klage keine ärztliche Bescheinigung vor, so dass der Arbeitgeber am fünften Krankheitstag fristlos kündigte. Erst dann wurde eine Bescheinigung vorgelegt.

Entscheidung
Mit seiner Kündigungsschutzklage unterlag der Kläger vor Gericht. Bei erschwerten Umständen kann die Nichtvorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Diese erschwerten Umstände liegen dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer hartnäckig weigert, Bescheinigungen vorzulegen, was der Kläger im konkreten Fall durch Nichtvorlage trotz Abmahnung über Tage hinweg getan hatte. Da die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes in diesem Punkt zudem dispositiv seien, könne auch kein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen, so die Richter beim rheinland-pfälzischen Landesarbeitsgericht.

Konsequenz
Die Entscheidung stärkt die Rechtsprechung zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Legt der Arbeitnehmer auch nach Abmahnung fortgesetzt keine ärztliche Bescheinigung vor, wird man in der Regel davon ausgehen können, dass er sich der Vorlagepflicht hartnäckig widersetzt und eine - auch fristlose - Kündigung zulässig ist.

10. Neues zu "Whistleblowing"

Rechtslage
Beim so genannten "Whistleblowing" zeigt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber gegenüber Behörden, insbesondere der Staatsanwaltschaft, wegen unrechtmäßigen Verhaltens (un)berechtigt an. Regelmäßig stellt sich dann die Frage, ob in berechtigten Anzeigefällen eine Kündigung zulässig ist. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hatte kürzlich in einem solchen Fall zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Kläger, seinerzeit in Kurzarbeit beschäftigt, hatte ein Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitgeber in der ersten Instanz gewonnen. Im Berufungsverfahren stellte der Arbeitgeber einen sogenannten Auflösungsantrag gegen eine geringe Abfindung. Inhalt des Auflösungsantrages ist es, trotz unwirksamer Kündigung vom Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Arbeitsverhältnis wird sodann gegen eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung aufgelöst. Hintergrund des Arbeitgeber-Antrags war, dass der Kläger gegenüber der Bundesagentur geäußert hatte, der Arbeitgeber würde Mittel des Kurzarbeitergeldes missbrauchen. Daraufhin hatte die Bundesagentur ein Strafverfahren gegen den Arbeitgeber eingeleitet, dessen Ausgang bei der vorliegenden Entscheidung noch offen war.

Entscheidung
Das LAG gab dem Auflösungsantrag mit geringer Abfindung statt. Zwar könne es Fälle geben, in denen ein Whistleblowing trotz vertraglicher Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zulässig sei. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber aber darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitnehmer zunächst eine interne Klärung der Kurzarbeitergeldfrage im Gesprächswege suche. Hinzu komme, dass die Anzeige erst nach der Kündigung erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund müsse der Arbeitgeber damit rechnen, dass Meinungsverschiedenheiten mit diesem Arbeitnehmer immer geeignet seien, eine Anzeige bei einer Behörde nach sich zu ziehen. Eine Forstsetzung des Arbeitsverhältnisse sei daher nicht zumutbar.

Konsequenz
Kommt es ohne vorherigen internen Klärungsversuch zum Whistleblowing gegenüber einer Behörde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten im Arbeitsverhältnis, kann das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsantrag beendet werden. Denn dann ist nicht damit zu rechnen, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft möglich ist.

11. Kündigung bei Verweigerung von Zusammenarbeit

Rechtslage
Die Kündigung von Arbeitnehmern, die wegen ihrer schlechten Arbeitsleistung gekündigt werden sollen, fällt in den Bereich der verhaltensbedingten Kündigungen. Dabei gilt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur eine seiner Qualifikation und seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende Leistung in mittlerer Art und Güte schuldet. Das Arbeitsgericht Magdeburg hatte nunmehr in einem Fall zu entscheiden, in dem sich Kollegen weigerten, mit einem schlechten Mitarbeiter weiter zusammen zu arbeiten und dem deshalb gekündigt worden war.

Sachverhalt
Der Kläger war bei einem Bauunternehmen beschäftigt. Verschiedene Kollegen bemängelten beim Arbeitgeber die schlechte Arbeitsleistung des Klägers; 2 Kolonnenführer weigerten sich, mit dem Kläger weiterhin zusammen zu arbeiten. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis; der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht.

Entscheidung
Die Schlechtleistungen rechtfertigten angesichts der Tatsache, dass die Güte der Arbeitsleistung an den individuellen Fähigkeiten des Arbeitnehmers zu messen sei, keine Kündigung. Auch ein Fall einer zulässigen Druckkündigung, also einer Kündigung, die dadurch bedingt ist, dass Dritte dem Arbeitgeber mit erheblichen Nachteilen für den Fall drohen, dass der Arbeitnehmer nicht gekündigt werden, sei nicht gegeben. Selbst wenn die verweigerte Zusammenarbeit der übrigen Mitarbeiter geeignet sei, erhebliche wirtschaftliche Schäden beim Arbeitgeber auszulösen, habe der Arbeitgeber nicht hinreichend versucht, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und alles Zumutbare zu unternehmen, um die Dritten von der Drohung abzubringen. Insbesondere hätte der Arbeitgeber versuchen müssen, durch innerbetriebliche Maßnahmen die Schlechtleistung für die übrigen Mitarbeiter nicht spürbar werden zu lassen; z. B. durch Mehrarbeitsvergütung.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Kündigung eines schlecht arbeitenden Mitarbeiters wegen der Schlechtleistung erhebliche rechtliche Probleme birgt. Insbesondere wird man zunächst nach einer innerbetrieblichen Lösung suchen und diese dokumentieren müssen.

12. Muss Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unaufgefordert übersetzen?

Rechtslage
(Formular)Arbeitsverträge sind nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen überprüfbar. Das heißt insbesondere, dass sie keine überraschenden oder nicht verständlichen Klauseln enthalten dürfen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob ein solcher Verstoß bei einem Arbeitnehmer, der der deutschen Sprache nicht mächtig war, bereits deshalb vorlag, weil der Arbeitgeber diesem Arbeitnehmer nicht vor vorneherein eine Übersetzung des Arbeitsvertrages in dessen Muttersprache zur Verfügung gestellt hatte.

Sachverhalt
Der Kläger, ein portugiesischer Fernfahrer, hatte mit dem deutschen Arbeitgeber teilweise in portugiesisch über einen Arbeitsvertrag verhandelt. Ihm war ein deutschsprachiger Formulararbeitsvertrag übersandt worden, den er unterschrieb, ohne eine Übersetzung zu verlangen. Bestandteil des Vertrags war eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen war. Mit seiner nach Ablauf dieser Ausschlussfrist eingereichten Klage machte er Vergütungs- und Reisekostenansprüche geltend. Die Ausschlussfrist hielt er für nicht anwendbar, weil er diese nicht verstanden habe und er sie daher nicht zur Kenntnis haben nehmen können. Somit sei sie nicht wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden.

Entscheidung
Das LAG wies die Klage ab. Die in den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, nach der eine Prüfung erfolgen müsse, ob eine Regelung wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden sei, gelte für Arbeitsverträge nicht. Diese seien zwar nach den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen inhaltlich überprüfbar, eine Einbeziehungsprüfung gebe es aber nicht, weil der Arbeitgeber schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sei, die wesentlichen Vertragsbestandteile schriftlich auszuhändigen. Die Wirksamkeit der Ausschlussfrist richte sich daher alleine nach den allgemeinen Regelungen. Die Übersendung des Arbeitsvertrages stelle das Angebot des Arbeitgebers dar, das der Arbeitnehmer durch Unterschrift in unveränderter Form angenommen habe. Die sprachliche Unkenntnis falle alleine in den Risikobereich des Arbeitnehmers.

Konsequenz
Die Entscheidung überzeugt inhaltlich. Insbesondere berücksichtigt sie, dass ein Arbeitsvertrag nach Sinn und Zweck etwas Anderes ist als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung nicht rechtskräftig; sie ist mit Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) angegriffen worden, dessen Urteil noch aussteht.

13. Zur Ablehnung sprechbehinderter Bewerber

Rechtslage
Dem wegen einer Diskriminierung abgelehnten Bewerber steht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Entschädigung zu. Wäre er darüber hinaus der beste Bewerber gewesen und hätte damit eingestellt werden müssen, ist zudem noch ein echter Schadensersatzanspruch in Form eines Schmerzensgeldes denkbar. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte zu den Voraussetzungen dieser Ansprüche zu entscheiden.

Sachverhalt
Der Kläger war wegen Stotterns mit einem Grad der Behinderung von 30 erwerbsunfähig. Er bewarb sich beim Beklagten als Arbeitsvermittler, erhielt aber eine Absage mit der Begründung, andere Bewerber seien besser informiert und kommunikationsstärker gewesen. Mit seiner Klage, die im Rahmen der Entscheidung über Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, machte er Schmerzensgeld in Höhe von rd. 30.000 EUR und eine Entschädigung in Höhe dreier Monatsgehälter geltend, weil er wegen seiner Behinderung abgelehnt worden sei. Der Beklagte wandte ein, das Argument der Kommunikationsstärke habe sich nicht auf die Behinderung, sondern auf die Gesprächsführung bezogen.

Entscheidung
Das Gericht gewährte dem Kläger Prozesskostenhilfe lediglich für den Entschädigungsanspruch. Die Verwendung des Arguments der Kommunikationsschwäche lasse durchaus den Schluss zu, dass die Sprechbehinderung in diskriminierender Weise ausschlaggebend für die Ablehnung gewesen sei. Damit griffen die Beweislastmechanismen des AGG und der Arbeitgeber müsse nachweisen, dass gerade keine Diskriminierung vorgelegen habe. Vor diesem Hintergrund sei aber lediglich eine Entschädigung möglich, weil der Beklagte im Übrigen nachgewiesen habe, dass der Kläger auch bei Nichtberücksichtigung der Behinderung nicht eingestellt worden wäre, weil andere Bewerber besser waren.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt zum einen, dass eine Diskriminierungshandlung nur bei einer "echten" Schwerbehinderung möglich ist. Zum anderen macht sie die Gefahren deutlich, die eine unpräzise Ablehnung in sich birgt.

14. Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung

Rechtslage
Im Rahmen von fristlosen Kündigungen kommt es bei deren gerichtlicher Überprüfung immer zu einer Interessenabwägung zwischen der Schwere des Pflichtenverstoßes und den berechtigten Belangen des Arbeitnehmers (z. B. langjähriges unbeanstandetes Beschäftigungsverhältnis). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr darüber zu entscheiden, wie das sogenannten Nach-Tat-Verhalten, also im Zeitraum zwischen Pflichtenverstoß und Kündigung, des Arbeitnehmers in dieser Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war fristlos gekündigt worden, weil er tatsächlich von ihm eingelegte Pausen nicht als solche gekennzeichnet, sondern als Arbeitszeit deklariert hatte. Zwar waren die Umstände beim zur Kündigung führenden Fall zum Teil streitig, allerdings war der Arbeitnehmer einschlägig vorher abgemahnt worden. Im Zeitraum zwischen der Feststellung des Pflichtenverstoßes und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung hatte er stets geleugnet, Pausenzeiten als Arbeitszeit deklariert zu haben. Gegen die fristlose Kündigung klagte der Arbeitnehmer.

Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Der dem Kläger zur Last gelegte Arbeitszeitbetrug sei für sich genommen eine so schwere Pflichtverletzung, dass eine fristlose Kündigung, insbesondere nach entsprechenden Abmahnungen, zulässig sei. Darüber hinaus sei es korrekt, das stetige Leugnen des Pflichtverstoßes bis zur Kündigung zu Lasten des Arbeitnehmers in die erforderliche Interessenabwägung mit einzubeziehen. Auch eine in Einzelfällen abweichende Rechtsprechung zu fristlosen Kündigungen, in der das Nach-Tat-Verhalten nicht in die Interessenabwägung mit einbezogen worden sei, obwohl der Arbeitnehmer auch dort den Pflichtverstoß geleugnet hatte, könne im Falle des Klägers nicht angeführt werden. Denn in der insoweit abweichenden Rechtsprechung sei deutlich gemacht worden, dass das dortige Leugnen "prozessuales Verteidigungsvorbringen" gewesen sei.

Konsequenz
Es gilt weiterhin die Regel, dass das Nach-Tat-Verhalten des Arbeitnehmers zu seinen Lasten in die Interessenabwägung über die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung mit einbezogen werden kann. Dies entspricht der "Regelrechtsprechung"; anders lautende Rechtsprechung bildet die Ausnahme.

 

Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Gißewski,

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
www.gißewski.de